
Wahlen und Zahlen – ein Stimmungsbild nach Faktenlage
Nun, ich möchte sicher nicht in parteiinterne Thematiken geraten, aber Zahlen- und Analyseergebnisse zur EU-Wahl sprechen lassen, um ein Stimmungsbild zu zeichnen. Ich mache das jetzt einmal, weil die Rede war von einer Schicksalswahl 2024 und dieser Wahl viel Bedeutung beigemessen wurde bzw. wird für die nächsten Wahlen. Vielleicht interessiert es die eine oder andere Person. Analysiert wird vordergründig, wie Deutschland gewählt hat.
Jedenfalls überrascht es am Ende, was alles ausgewertet werden kann und wie Prognosen und am Ende doch nicht ganz aufgegangen sind. Außerordentlich war auf jeden Fall die Wahlbeteiligung in Deutschland: mit 65% so hoch wie noch nie seit der deutschen Wiedervereinigung. Festhalten können wir sicher, dass hier 80% für ein Europa gestimmt haben. Im EU-Parlament bleibt die Mitte-Mehrheit.
Zuwachs erhielten konservative und rechtsextreme Parteien in Deutschland wie auch in der EU. Besonders drastisch ist die Lage in Frankreich, so dass Macron Neuwahlen ausgerufen hat. Die SPD erhielt das schlechteste Ergebnis seit ihrem Bestehen. Bei dieser EU-Wahl war für 55 % der Wähler die Bundespolitik entscheidend und nicht die Europapolitik. Die SPD hat Arme und Arbeiter verloren: diejenigen die bei jeder Krise immer den größten Verzicht leisten müssen.
Themen: Im Wahlkampf ging es viel um Krieg, Migration und Soziale Sicherheit. Klima und Wirtschaftswachstum waren eher unterrepräsentiert. Die Soziale Frage war für jeden vierten Wähler entscheidend. SPD und Grüne haben diese Frage vernachlässigt und sind der Agenda „rechter“ Themenschwerpunkte gefolgt. Seit 2019 hat kein Thema so viel an Relevanz verloren wie der Klimaschutz. Bei der letzten Wahl war Klimaschutz für 23% wahlentscheidend, diesmal nur für 14%.
Wähler: Die Analyse sagt aus, dass mittelalte Männer, die einen niedrigen Lebensstandard und geringere Bildungsabschlüsse haben, die AfD wählen. Ein Drittel der Arbeiter und der Armen wählen die AfD und nicht mehr die SPD oder die Linke. Die AfD wird deutlich häufiger von Männern gewählt als von Frauen. Bei keiner Partei ist die Geschlechterunterschied so groß. Bei Älteren ab 70 Jahren schnitt die Partei bemerkenswert schlecht ab. Die Jugend wählt in erster Linie nicht grün, sondern AfD, aber auch sonstige Parteien, vor allem Volt und Linke. Die AfD hat 17% gewonnen, die Grünen 23% verloren. Die Linke wurde insgesamt halbiert und BSW kommt aus dem Stand auf 6 % (in Ostdeutschland noch gravierender). Die Linke hat in ihrer Kern- Kompetenz „soziale Gerechtigkeit“ drastisch verloren. Die meisten Wähler von BSW kamen von der Linken und der SPD. Das wahlentscheidende Thema der Partei war mit 37% „Friedenssicherung“.
AfD und BSW sind Protestparteien, die Linke nicht mehr. Die Hälfte der Wähler dieser Parteien gaben ihre Stimme aus Enttäuschung. 87% ihrer Wähler wollten ihre Wahl als Denkzettel für die Regierung verstanden wissen. Sie waren am erfolgreichsten bei Wählern mit Geld- und Jobsorgen.
In Ostdeutschland ist AfD die stärkste Partei. In West- und Süddeutschland dominieren CDU/ CSU. Ausnahmen bilden nur Stadtstaaten. In Berlin und Hamburg sind die Grünen die stärkste Kraft, in Bremen die SPD. Die CDU lebt von den Rentnern und Wählern, die enttäuscht vom Bundeskanzler sind.
Die Grünen bleiben die Partei der Wohlhabenden, der Akademiker und der Überzeugten. Bei Rentnern, Armen und Arbeitern schlossen die Grünen dramatisch schlecht ab. Für die Wähler der Grünen war die Europapolitik wichtiger als die Bundespolitik, aber: mehr als eine halbe Million Grünenwähler haben diesmal gar nicht gewählt.
Aufrufe gegen „Wählen gegen rechts“ und zur „Rettung der Demokratie“ mobilisierten nicht und haben vielleicht sogar das Gegenteil bewirkt.
Politiker und Analysten sprechen davon, dass man Politik im Interesse der „unteren Hälfte“ durchsetzen muss, d.h. Politik für die ärmere Hälfte der Menschheit.
So sieht es aus! Was nun?
Aus: Maurice Höfgen (Analyse zur Bundestagswahl, 10.06.2024)